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Awi Blumenfeld

Awi Blumenfeld, geb. 1966, Historiker und Unternehmer, Vater von 4 Kindern, ehrenamtliche Tätigkeit bei Bei Akiva, Torah weAwoda sowie Torah und Zeitgeist im Rahmen Religions- und Kulturpolitik. Claims Conference, KPH: Hochschule für katholische und jüdische Religionslehrer

Muzicant Ariel

geb. 1952 in Haifa, amtierender Präsident des European Jewish Congress (EJC), IKG-Ehrenpräsident, Immobilienfachmann

Mandelbaum Alexander

Grünberger Janki

geb. 1972, Informatiker, Vater von sieben Kindern. Ehrenämter: Präsident der Misrachi, im ZPC-Schulverein, im Kultusrat seit 2017

E-Paper Ausgabe 31

Judith Adler

Juti Adler, in Budapest geboren, verheiratet und hat zwei Kinder. Sie war seit 1986 Kultusvorsteherin, im Jahr 2012 auch Vizepräsidentin der IKG. Sie ist Vorsitzende des Beirats des Maimonides-Zentrums und engagiert sich insbesondere in der Sozial- und Generationenpolitik.

 

Muzicant Georg

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Politik der Öffnung der IKG

Rund 4.000 Gäste kamen am Tag der offenen Tür in die Seitenstettengasse. Konzerte, Erklärungen, koscheres Essen und viele Gespräche brachten die Menschen näher zusammen. Ein voller Erfolg war die erstmalige Austragung der Pop-Up-Galery, bei der junge jüdische Künstlerinnen und Künstler ihre Werke ausstellten. Sehen Sie selbst!

Rettungsplan für die letzte jüdische Buchhandlung Wiens

Vor drei Monaten verkündete Dorothy Singer via Facebook: „Die Buchhandlung ist weg.“ Das Jüdische Museum in der Dorotheergasse hatte den Pachtvertrag mit der Betreiberin der einzigen jüdischen Buchhandllung Wiens gekündigt. Die Aufregung war groß, es hagelte Protestnoten. Tausende unterstützten eine Online-Petition, die sich für den Erhalt von „Dorlys“ Book Shop einsetzte. Das Museum, es gehört der der Stadt Wien, blieb bei seiner Entscheidung, anstelle der Buchhandlung einen Museumsshop zu installieren. Singer, ein Fixstern für all jene Wienerinnen und Wiener, die sich mit jüdischer Literatur beschäftigen, war existenziell bedroht.

Die Wendung

Das IKG-Präsidium hat in den Sommermonaten in Kooperation mit einer Reihe engagierter Gemeindemitglieder an mehreren Rettungsplänen für die letzte jüdische Buchhandlung Wiens gearbeitet.

Kurz vor Rosh Hashana einigten sich Präsident Oskar Deutsch und Dorly Singer auf einen konkreten Plan: Die Buchhandlung soll ab 2018 am Rabensteig, Ecke Seitenstettengasse, eine neue Heimat bekommen. An dieser prominenten Adresse ist aber noch mehr geplant: Mit einer zusätzlichen Mitarbeiterin will Singer auf der 270 m2 großen Fläche im Erdgeschoß auch ein Café betreiben. Außerdem soll der Jewish Welcome Service einziehen, und die IKG richtet einen neuen Infopoint ein. Voraussetzung ist, dass die finanziellen und organisatorischen Fragen bis Jahresende gelöst werden. Derzeit laufen Gespräche mit Singer, der Stadt Wien und anderen potenziellen Partnern.

Letztlich würde der komplette Häuserblock Seitenstettengasse-Rabensteig aufgewertet werden. Oskar Deutsch: „Es geht nicht nur um eine menschlich korrekte Lösung. Der Erhalt der Buchhandlung ist eine kulturelle Verpflichtung! Von Dorly Singers Angebot und Expertise profitieren Gemeinde und Stadt Wien gleichermaßen.“

Hereinspaziert!

Ein Geschäftsfreund erzählte mir einmal, er sei ein „Almdudler-Jude“. Und was heißt das? Seine Antwort: „Na, zu drei Achteln ein Jude halt!“

An dieses Bonmot erinnerte ich mich, als mich kürzlich eine nichtjüdische Freundin nach der Größe unserer Gemeinde fragte. Ich schätzte auf rund 7.000 Mitglieder. Sie jedoch: „Es gibt ja wohl eine ganze Menge Juden außerhalb der IKG – vielleicht so hunderttausend.“ Diese Schätzung war freilich bei weitem zu hoch gegriffen, nicht nur quantitativ, sondern auch „qualitativ“, enthielt sie doch auch all jene Menschen, die sich lediglich nach landläufigen Begriffen für eine Zugehörigkeit zum Judentum qualifizieren – eben besagte „Almdudler-Juden“. Mit halachischen Regelungen hatte die Dame verständlicherweise nichts am Hut.

Und was heißt das nun konkret? Es gibt tatsächlich viele, zu viele Juden, die wir nicht zu unserer IKG zählen können, wiewohl wir dies gerne täten.

Zugehörigkeitsgefühl entwickeln

Gründe für diese IKG-Abstinenz gibt es jede Menge, sie sind ausgesprochen mannigfaltig. Aber um jeden einzelnen dieser „verlorenen Juden“, wie ich sie stets nenne, tut es mir leid. Sie stehen „draußen vor der Tür“, sinnbildlich, und gehören doch herein.

Vor einiger Zeit sprach ich mit einem Freund, der vor über 40 Jahren nach Wien zugewandert ist und damals der IKG nicht beitrat. Das war kein Thema für ihn, spielte für sein Leben und das seiner Familie keine Rolle. Und doch spürte ich eine Art Sehnsucht nach Zugehörigkeit in seinen Worten. In der Folge sprachen wir drüber, es wurde plötzlich doch zu einem Thema, in seinen Augen blitzte so etwas wie Rührung, und schließlich half ich ihm über die ersten bürokratischen Hürden.

Resultat: Seitdem er, seine Frau und seine Tochter vollwertige Mitglieder unserer Gemeinde sind, besuchen sie mit großem Interesse jüdische Veranstaltungen, versuchen wohl, einiges vom Versäumten nachzuholen.

Neue Arten der Mitgliederwerbung

Über diesen konkreten Einzelfall hinaus ist noch viel mehr zu tun. Es gibt in der IKG eine eigene Kommission. Hier werden Strukturen und Rahmenbedingungen, Social- Media-Kampagnen, Maßnahmen im Rahmen der „Politik der Öffnung“ ausgearbeitet, innerhalb derer Anstrengungen unternommen werden sollen, um möglichst vielen unserer Glaubensschwestern und -brüder, die eben noch „draußen vor der Tür“ stehen, dieselbe zu öffnen, und um diese Menschen einzuladen, einzutreten (sprich: beizutreten).

Gemeinschaftsgefühl stärken

Künftig müssen wir mit öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen auch das Gemeinschaftsgefühl bestehender Mitglieder ansprechen und separatistischen Strömungen entgegenwirken. Die IKG ist die Summe ihrer Mitglieder.

Zur Abrundung: Unter dem Titel „Wir brauchen neue Mitglieder – Wir suchen neue Mitglieder“ habe ich einst für die IKG-Homepage einen entsprechenden Appell verfasst. Sofort bewarben sich über ein Dutzend Personen um die Mitgliedschaft. Soweit die gute Nachricht. Die schlechte: Da war kein einziger Jude drunter!

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